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Arthrose: Schmerzfrei ins Frühjahr dank sanfter Bewegung und Schmiere

22.03.2023 um 14:09 Uhr
    Körperlich mobil zu bleiben ist wichtig für die Lebensqualität | ©

    Bewegung ohne Beschwerden ist vielen Menschen nicht möglich. Ihnen macht Arthrose zu schaffen. Neue Therapien können bei permanenten Gelenkschmerzen helfen.

    Die Vögel zwitschern, immer öfter kommt die Sonne raus, es ist endlich wieder länger hell, und die Temperaturen steigen. Da verspürt jeder den Wunsch, ins Freie zu gehen, durch Wald und Wiesen zu streifen, aufs Rad zu steigen oder Zeit im Garten zu verbringen. Aktivität an der frischen Luft bringt jedoch nur Freude, wenn die Gelenke mitspielen. Aber: Laut Robert-Koch-Institut leidet in Deutschland jede dritte Frau und jeder vierte Mann an dauerhaften Schmerzen in Knie & Co. Häufigste Ursache mit etwa fünf Millionen Betroffenen: Arthrose, eine Verschleißerkrankung.

    Dabei werden die schützenden Knorpelkappen der Gelenke zunehmend abgerieben, ihre Funktion als Stoßdämpfer geht dadurch verloren. In der Folge treten Schmerzen auf, vor allem bei Bewegung. Am Ende des Prozesses scheuern die Knochenköpfe ohne Knorpelpuffer aneinander. Die Mobilität des erkrankten Gelenks nimmt stetig ab, es wird immer steifer und verformt sich. Häufig ist irgendwann ein künstlicher Gelenkersatz unumgänglich.

    Arthrose entwickelt sich unbemerkt

    Besonders anfällig für Abnutzungserscheinungen sind Knie und Hüfte, hier zeigt sich Arthrose am häufigsten. Sie entsteht meist aufgrund jahrelanger Über- oder Fehlbelastung der Gelenke, etwa durch exzessiven Sport, schwere körperliche Arbeit oder eine Gelenkfehlstellung wie X- oder O-Beine. Auch Übergewicht, frühere Verletzungen, zum Beispiel Bänderrisse oder Meniskusschäden, sowie Bewegungsmangel können Arthrose begünstigen, ebenso wie eine genetische Veranlagung. Die Krankheit entwickelt sich über mehrere Jahre, zunächst oft unbemerkt, denn das Knorpelgewebe hat keine Schmerzrezeptoren.

    Arthrose äußert sich erst nur bei erhöhter Belastung wie Treppensteigen oder zu Beginn einer Bewegungsaktion. Dieser Anlaufschmerz klingt dann aber wieder ab. Erst im fortgeschrittenen Verschleißstadium tut das betroffene Gelenk auch bei längerer Aktivität weh. Oft leiden Patienten dazu unter Gelenkschwellungen und sind insgesamt nur eingeschränkt beweglich. Ist von großer Bedeutung: die Gelenkflüssigkeit Weltweit wird an der Erforschung der Krankheit gearbeitet.

    Neue Erkenntnisse gibt es etwa von Wissenschaftlern der Universität Cambridge in Großbritannien: Eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der typischen Schmerzen spielt möglicherweise die Gelenkschmiere, fachlich Synovialflüssigkeit. Im Labor hatten die Experten Gelenkflüssigkeit von Arthrosepatienten auf separierte Nerven gegeben, die normalerweise Signale aus dem Knie übertragen. Das Ergebnis der Stimulation: Die Nervenzellen reagierten ähnlich heftig wie bei einer Reizung mit Chilischoten.

    Nun vermuten die Spezialisten, dass Arthrose-Entzündungszellen gewisse Stoffe in die Gelenkschmiere abgeben und dann Schmerzen auslösen. Auf Basis der Studiendaten könnten nun neue Medikamente entwickelt werden. In jedem Gelenk befindet sich Synovialflüssigkeit: Die viskose, klare Substanz wirkt dort wie ein Schmiermittel. Sie verhindert Reibung und sorgt dafür, dass die Gelenkflächen der beiden Knochenenden störungsfrei aneinander vorbeigleiten.

    Bewegung regt die Produktion von Synovialflüssigkeit an

    Doch die Schmiere hat noch eine zweite Aufgabe: Sie ernährt den Knorpelpuffer im Gelenk. Dafür ist aber Bewegung notwendig: Denn erst sie regt die Produktion von Synovialflüssigkeit an. Gleichzeitig wird ein Mechanismus aktiviert, der die Substanz in den Knorpel hineinbringt. Das ist vergleichbar mit dem Einkneten von Mehl in einen Teig: Da reicht es auch nicht, diese Zutat nur anzudrücken. Daher kann bereits eine längere Ruhigstellung, etwa nach einer Operation, zu Knorpelschäden führen. Denn: Bleibt die Produktion und Verteilung der Gelenkflüssigkeit aus, bekommt der Knorpel kein „Futter“ mehr. Bewegung aktiviert die Knorpelversorgung Gelenkknorpel haben nur eine sehr geringe Fähigkeit zur Selbstheilung. Der Grund: Im Gegensatz zu anderen Körpergeweben wie Knochen, Muskeln und Haut sind sie nicht von Blutgefäßen, Lymphbahnen und Nerven durchzogen. Ohne Therapie geht der Knorpelabbau bis auf den Knochen. Das ist nicht nur schmerzhaft, sondern führt langfristig zu einer Verformung des Gelenks. Beim Schutz von Knie & Co. gehört daher Sport zu den zentralen Maßnahmen.

    Ausdauertraining wie Schwimmen, Walken und Radfahren führt zu einer besseren Durchblutung insgesamt und fördert den Stoffwechsel im Gelenk. Die Gelenkinnenhaut produziert dann Synovialflüssigkeit, so wird der Knorpel mit ausreichend Nähr- und Schmierstoffen versorgt. Sehr effektiv ist auch ganz normale Gymnastik. Weniger geeignet dagegen: Sportarten mit häufigen Stopps und schnellen Richtungswechseln, etwa Squash, Tennis, Fußball oder Ski alpin. Dabei werden Hüft- und Beingelenke in hohem Maß beansprucht. Sinnvoll ist aber gezieltes Krafttraining: Eine gestärkte Muskulatur entlastet das Gelenk und kann so auch Schmerzen mindern. Zusätzlich empfehlen Orthopäden fokussierte Übungen unter Anleitung etwa von Physiotherapeuten. Regelmäßiger Sport hilft außerdem, Übergewicht abzubauen. Ausgewogene Kost unterstützt dies.

    Vitalstoffe in Lebensmitteln untersützen die Gelenkgesundheit

    Auf antientzündliche Ernährung achten Studien beweisen zudem, dass gewisse Vitalstoffe in Lebensmitteln die Gelenkgesundheit unterstützen. Bedeutsam sind Omega-3-Fettsäuren: Zu den besten Lieferanten zählen Lein- und Walnussöl sowie fette Meeresfische. Positive Wirkungen werden auch sekundären Pflanzenstoffen aus Obst und Gemüse zugeschrieben. Sie stärken den Organismus darin, Entzündungen zu bekämpfen. Knorpelstabilisierend wirkt Silizium aus Hafer, Hirse und Brennnessel. Bei akuten Schmerzen können Kreuzkümmel, Muskat und Koriander die Durchblutung der Gelenkschleimhaut fördern und so häufig den Schmerz lindern.

    Tierische Produkte wie Wurst und Fleisch sollten Betroffene eher meiden, da die enthaltene Arachidonsäure Entzündungen fördert. Neue Hoffnung für Betroffene Arthrose ist bisher nicht heilbar. So steht bei jeder Behandlung die Schmerzlinderung an oberster Stelle. Verschrieben werden meist nichtsteroidale Antirheumatika wie Diclofenac oder Ibuprofen, die zugleich antientzündlich wirken. Denn Partikel, die beim Verschleiß entstehen, können zu Entzündungen der Gelenkschleimhaut führen, was den Knorpelabbau weiter beschleunigt. Zudem verordnet der Arzt vielfach Rehasport, dessen Kosten die Krankenkassen übernehmen.

    Hyaluronsäure-Behandlung bei Arthrose hilft - ist aber teuer

    Häufig werden Patienten Injektionen mit Hyaluronsäure angeboten. Davon profitieren zahlreiche Menschen mit Kniearthrose: Die Substanz verbessert die Schmierung des Gelenks. Doch die Knorpelzerstörung kann sie nicht rückgängig machen. Zu den modernen Behandlungsformen zählt auch die Stammzellentherapie. Sie stimuliert den Heilungsprozess des erkrankten und entzündeten Gewebes im Gelenk. Untersuchungen zeigen, dass sich die Schmerzsymptomatik so oftmals verringern lässt. Allerdings liegen die Kosten für diese Behandlung bei etwa 3500 Euro pro Gelenk. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen sie meist nicht.

    Positiv klingen aktuelle Forschungsergebnisse: Danach können sich Knorpel, wenn auch begrenzt, selbst regenerieren. Diese Spur stützt auch eine neue Methode: die Gelenkdistraktion. Sie führt zu leichtem Knorpelzuwachs und mindert Schmerzen. Derzeit wird das Verfahren als Therapieoption für Patienten mit weit fortgeschrittener Kniearthrose getestet, die zu jung für eine Prothese sind.

    Die Prozedur ist aufwendig: Die Betroffenen müssen sechs Wochen lang oberhalb und unterhalb des Gelenks externe Fixateure tragen – sie sehen Schraubzwingen ähnlich. Sie ziehen die Ober- und Unterschenkelknochen um etwa fünf Millimeter auseinander, öffnen den Gelenkspalt. Die Probanden sollen weiterhin gehen. Das Gestell entlastet das Kniegelenk, zugleich kann nährstoffreiche Synovialflüssigkeit es umfänglich versorgen.

    Diesen Effekt machte sich auch Diplom-Ingenieur Jörg Hillen zunutze. Selbst schwer von Arthrose betroffen, entwickelte er mit Wissenschaftlern der Hochschule Koblenz einen Apparat zur Streckung seines kranken Sprunggelenks. Dieser besteht aus einer Grundplatte und einer Zugvorrichtung, an der eine Manschette angebracht ist. Geeignet für eine einfache Anwendung zu Hause. In der Selbstbehandlung legte Jörg Hillen seinen Fuß in die Manschette und setzte sanfte Zugkraft ein, um das Gelenk zu entlasten. Nach täglicher Anwendung, bequem im Sessel sitzend, spürte er schon zwei Wochen später eine Reduzierung der Schmerzen. Nach etwa sechs Monaten war er vollkommen beschwerdefrei.

    Das Gerät ist für Schulter, Hüfte, Knie, Fuß- und Handgelenk geeignet. Man kann es kaufen oder mieten (arthrose-gex.de). Hoffnung auf Heilung machen Mediziner auch mit dem Botenstoff Sprifermin: Er wird alle sechs beziehungsweise zwölf Monate in das geschädigte Gelenk injiziert. In ersten Studien verbesserte sich die Knorpeldicke in Kniegelenken mit Arthrose nach zwei Jahren signifikant.