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Béla Réthy: Nach der WM ist Schluss für den ZDF-Reporter

    Béla Réthy berichtete bereits über mehrere Hundert Bundesliga-Begegnungen. Hier aus Hoffenheim | © ZDF Béla Réthy darf an seinem 66. Geburtstag zum letzten Mal ein WM-Spiel kommentieren. | ©ZDF

    Sein Torjubel ist heute zum letzten Mal live im TV zu hören: ZDF-Fußball-Kommentator Béla Réthy beendet nach der WM in Katar seine Karriere. Das Halbfinale Frankreich - Marokko (20 Uhr) an seinem heutigen 66. Geburtstag wird sein letztes Spiel am Mikro sein. 

    Im Interview mit Hörzu spricht er über die WM 2022, das beste Team aller Zeiten und seine größten Momente. Zwischen 1996 und 2018 kommentierte der TV-Journalist, der am 14. Dezember 66 wird, alle vom ZDF übertragenen WM- und EM-Endspiele. In HÖRZU blickt er zurück – und nach vorn.

    HÖRZU: Herr Réthy, Ihr letzter Einsatz als Kommentator wird möglicherweise am 13. oder 14.12. sein, je nachdem, welches Halbfinale das ZDF überträgt. Über wie viele WM-Spiele hätten Sie dann insgesamt live berichtet?

    BÉLA RÉTHY: Darüber führe ich kein Buch. Ich kann Ihnen sagen, wie viele WM-Turniere ich als Live-Reporter begleitet habe: Das sind mit Katar acht. Meine Premiere als Kommentator war 1994 in den USA.

    Welches war dabei Ihre schönste WM?

    In Mexiko 1986 ging für mich bereits ein Traum in Erfüllung: Ich war freier Mitarbeiter beim ZDF und durfte mit zu einer Fußball-WM – mein großes Ziel! Das habe ich, soweit ich mich erinnern kann, schon als Kind verfolgt. Als Kommentator war die schönste WM, entgegen meiner Erwartung, jene in Deutschland 2006. Es war, als hätte jemand am Eröffnungstag das Licht angestellt, und dann sieht man vier Wochen nur die Sonne. Es war plötzlich ein völlig anderes Land, ein emotional überragendes Ereignis.

    Nicht das Turnier in Brasilien 2014? Sie verbrachten Ihre ersten Lebensjahre in São Paulo, kommentierten das 7:1 der deutschen Elf gegen Brasilien.

    Das Turnier war gut, aber durch die riesigen Entfernungen unglaublich anstrengend. Ich habe ausgerechnet, dass ich dort 16.000 Kilometer mit dem Flieger unterwegs war. Was man neben der Fußball-Euphorie in Brasilien merkte, waren die sozialen Konflikte, die im Land herrschten. Das hinterließ bei mir gemischte Gefühle.

    Extreme Reisebedingungen erwarten Sie im kleinen Katar nicht.

    Das ist der positivste Aspekt dieser WM. Ich muss mein Hotelzimmer nicht wechseln, ich fahre mit dem Auto zu Spielen.

    Was dachten Sie 2010, als die WM nach Katar vergeben wurde?

    Dass diese Entscheidung völlig absurd ist. Die Konkurrenten waren Südkorea, Japan, Australien und die USA. Katars Bewerbung war mit Abstand die schlechteste. Ganz unabhängig von der Frage der Menschenrechte oder der Arbeitsbedingungen.

    Ihre Freude an dieser WM ist also nicht groß?

    Vielleicht gelingt es mir, die Umstände zeitweise zu vergessen. Natürlich genieße ich es, die besten Fußballspieler, die besten Teams der Welt gegeneinander spielen zu sehen.

    Welches war das beste deutsche Nationalteam, das Sie jemals spielen sahen?

    Als Fan das Team, das 1972 Europameister wurde. Ein Gerd Müller in Topform, ein großartiger Günter Netzer, der junge Uli Hoeneß. Was sie zeigten, war spielerisch das Attraktivste, was ich je von einer deutschen Nationalmannschaft sah. Als Kommentator hat mir die WM-Elf 2010 sehr gut gefallen. Eine junge Mannschaft mit dem neuen Kapitän Philipp Lahm, mit Jungs wie Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski auf dem Zenit ihrer Laufbahn, mit dem jungen Thomas Müller, der bei seiner ersten WM Torschützenkönig wurde. Dieses Team erreichte mein Herz.

    Die beste Mannschaft aller Zeiten ist ...

    Brasilien bei der WM 1982! Das war die Mannschaft, die die Träume nicht erfüllt hat. Die mit Zico, mit Sócrates, mit Falcão spielte. Eine sensationelle Mannschaft, die aber unglücklich gegen Italien ausgeschieden ist. In Brasilien werden die Spieler immer noch als verlorene Generation bezeichnet, die nie einen Titel gewonnen, aber großartigen Fußball gespielt hat.

    Der beste Spieler der Geschichte ist ...

    Ganz klar Diego Maradona. Er hat bei der WM 1986 mehr oder weniger allein den Titel für Argentinien gewonnen. Maradona war als Fußballspieler einzigartig, außerhalb des Platzes leider nicht fehlerfrei.

    Fußball WM 2022: Die nächsten Spiele

    Béla-Andreas Réthy 1994 im ZDF-Trikot.

    Auf welches Spiel, das Sie übertragen haben, werden Sie noch angesprochen?

    Natürlich das 7:1 der Deutschen gegen Brasilien. Wobei es für mich nicht so einfach war. Nach 29 Minuten stand es 5:0 für uns, es gab keine Spannung mehr, Deutschland war im Finale. Was sollte ich noch erzählen? Und dann sagte Bundestrainer Joachim Löw in der Halbzeitpause seinen Spielern, sie sollten den Gegner nicht demütigen. Aber André Schürrle hatte diese Ansage nicht gehört, er war auf der Toilette. Auf der Toilette! Er erzielte in der zweiten Halbzeit noch zwei Tore.

    Sind Sie eigentlich neutral bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft?

    Als Reporter muss man nicht neutral sein, man darf aber nie die Fehler verschweigen. Man darf auch nicht zynisch sein oder nationalistisch. Und man darf die Qualitäten des Gegners nicht unerwähnt lassen.

    Wie gehen Sie selbst mit Kritik um?

    Über inhaltsloser Kritik stehe ich drüber. Alles andere ist Teil des Geschäfts. Ich wurde aber auch schon für Spiele kritisiert, die ich gar nicht kommentiert habe.

    Was wollen Sie nach der WM machen?

    Ein halbes Jahr erst einmal nichts. Ich habe ein Enkelkind, das will ich häufiger sehen. Und ich werde auf keinen Fall regelmäßig im Stadion sitzen. Möglicherweise drehe ich später Dokumentationen. Aber ich freue mich erst einmal auf eine Zeit ohne Termine. Das muss ich auch erst mal lernen.

    Und Sie verabschieden sich mit einer großen Feier in Katar?

    Das ist völlig undenkbar. Dafür sind auch viel zu wenige Kollegen vor Ort. Wenn ich nach fast 40 Jahren gehe, dann will ich richtig Party machen. Irgendwann im Frühjahr, mit Band. Dann lassen wir es richtig krachen.

    Der letzte Einsatz von Béla Réthy könnte im WM-Halbfinale am 14. Dezember sein - an seinem 66. Geburtstag.