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Iris Berben: Sterben? "Im Grunde weiß ich, wie das geht"

06.04.2023 um 11:11 Uhr
    Iris Berben in der Verfilmung des Spiegel-Bestsellers von Susann Pásztor. | © ARD Iris Berben in der Verfilmung des Spiegel-Bestsellers von Susann Pásztor. | ©ARD

    Iris Berben über ihr berührendes neues TV-Drama "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" und die Kunst, das Leben und den Tod zu feiern.

    Ein Interview  vonTV Digital Chefreporter Mike Powelz.

    Sie ist stark und sinnlich, aber alles andere als sentimental: Als die Berlinerin Karla Jenner (Iris Berben) erfährt, dass sie an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt ist und nur noch wenige Monate zu leben hat, plant sie ein „würdevolles“ Ende. An ihrer Seite: Verkehrsplaner Fred (Godehard Giese), für den die Begegnung mit der kranken Rock-’n’-Roll-Fotografin sein erster Einsatz als Sterbebegleiter ist. (Karfreitag, 20.15 Uhr im Ersten) Wir haben Berben (72) zum Interview getroffen.

    Frau Berben, Sie haben bereits in 42 Kinofilmen mitgewirkt, in 26 TV-Serien und -Reihen sowie in 59 TV-Filmen und -Mehrteilern. Dies ist Ihr 60. TV-Film. Was war der besondere Reiz an diesem Drehbuch?

    Obwohl der Film eine Geschichte über das Sterben erzählt, feiert er im Grunde das Leben. Außerdem mag ich meine Figur Karla, weil sie lakonisch, freigeistig und selbstironisch ist und ihr Leben im richtigen Moment loslässt. Wenn ich es eines Tages schaffen würde, so souverän mit meinem eigenen Lebensende umzugehen wie sie, wäre ich sehr glücklich. Natürlich gefällt es mir auch, dass einen der Film nicht in den Abgrund zieht.

    Haben Sie zur Vorbereitung auf die Rolle mit Menschen am Lebensende geredet?

    Nein, weil ich mich schon seit den ersten privaten, persönlichen Verlusten gedanklich mit dem Thema Tod beschäftigt habe. Außerdem ist mir bewusst, dass ich in meinem Alter dem biologischen Vorgang des Sterbens viel näher bin als in früheren Jahren. Das Thema Sterben nehme ich schon seit Langem bewusst wahr.

    Als Person des öffentlichen Lebens wird es eines Tages, aber hoffentlich in weiter Ferne, Nachrufe auf Sie geben. Schade, dass Sie die nicht hören?

    Ja! Ich möchte sowohl meine Nachrufe als auch meine Grabrede so gern schon zu Lebzeiten hören, weil es mich wirklich interessiert, wie man mich eigentlich gesehen hat. Daher mein Appell: Rückt bitte mal alle raus mit euren Nachrufen, bündelt sie, und schickt sie mir nach Hause.

    Am Ende des Lebens: Fotografin Karla (Iris Berben) blickt dem Tod lakonisch entgegen.

    Sterbende haben manchmal noch mentale „Baustellen“. Einige möchten noch jemanden um Verzeihung bitten oder ihm sagen, dass Sie ihn lieben. Sind Sie mit sich im Reinen?

    Ja, ich habe jede Liebeserklärung zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle gemacht. Und es gibt nichts, das ich aufgeschoben hätte. Übrigens habe ich das Sterben schon in mehreren Filmen geprobt – und bin vor der Kamera auf unterschiedlichste Weise ums Leben gekommen. Im Grunde weiß ich, wie das geht. Vielleicht muss ich es deshalb ja nicht mehr machen (lacht).

    Sie sind in den 1960ern und 1970ern aufgewachsen, haben wild auf den Putz gehauen und das Leben ausgekostet. Inwiefern profitieren Sie noch heute von diesen Erfahrungen?

    Die damalige Zeit war wirklich extrem frei, und ich habe nichts ausgelassen. Aber es war auch eine Zeit, in der man sich politisch positionierte und das Land in seine Verantwortlichkeit zwang. Damals durfte ich ganz viele Fehler machen, das Leben erlernen, wieder aufstehen und anschließend einfach weiterleben. Geprägt hat mich das insofern, als dass ich heute angstfrei bin. Wenn ich zurückblicke, habe ich alles gemacht, alles erledigt, alles gefeiert. Und so gierig, wie ich bin, bin ich längst noch nicht mit dem Feiern und meiner Lebenslust fertig.

    Sind Sie froh, dass zu Ihren wilden Zeiten nicht immer ein Smartphone mitgefilmt hat – wie es heute bei vielen jungen Menschen der Fall ist?

    Na klar! Das Mitfilmen wäre mir zwar egal, aber es wird ja immer alles beurteilt und verurteilt und der ganze Brei über einen ergossen. Wenn ich oder das, was ich mache, jemandem nicht gefällt, will ich das gar nicht wissen. Und wenn jemand ein Interview mit mir nicht lesen mag oder ihm einer meiner Filme missfällt, soll er es überblättern oder den Fernseher ausschalten. Aber belästigt werden möchte ich nicht mit dem Gedankengut dieser Leute.

    Sind Sie mit Ihrem Freigeist auch mal an Grenzen gestoßen? Oder waren die Wände, gegen die Sie gerannt sind, immer schwächer als Ihr Kopf?

    Schönes Bild. Manchmal waren die Wände schon eingedrückt, aber momentan sind sie eher betonhart. Denn leider müssen wir immer noch gegen Ausgrenzung kämpfen. Vor 40 Jahren habe ich gedacht, dass dieser Kampf in unserer Zeit längst gewonnen sein würde und dass die Gleichberechtigung unterschiedlicher Lebensformen längst Realität wäre. Aber stattdessen muss meine Generation den Staffelstab nun an die jüngeren Menschen weitergeben und an sie appellieren, die Freiheit in unserem Land zu verteidigen. Zum Glück ist die junge Generation sehr klug und sehr fordernd. Sie weiß, dass es ihre Zukunft ist, die momentan verhandelt wird.

    Geht’s denn in die richtige Richtung?

    Ja, aber ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch und finde, dass die Gleichberechtigung verschiedener Religionen, Hautfarben und sexueller Vorlieben überfällig ist.

    Angeblich haben Sie nie geheiratet, weil die Ehe für Sie auch ein Symbol für Konservativismus ist.

    Stimmt. In den Sechzigerjahren war die Ehe das Konservativste, was es gab.

    Wie denken Sie heute darüber?

    Es gibt einen Konservativismus, der wichtig und richtig ist. Damit meine ich unser Traditionsbewusstsein – und dass nicht immer alles neu sein muss. Aber was die Ehe betrifft, lebe ich eher nach dem Motto „Bis dass die Liebe uns scheidet“ statt „Bis dass der Tod uns scheidet“.

    Was kommt nach dem Tod?

    Gar nichts. Aber das, was man unsere „Seele“ nennt, also das, was uns ausmacht, nämlich das Wesen, die Art und unser Denken, bleibt natürlich erhalten. Es lebt beispielsweise in unseren Kindern, Enkelkindern, aber natürlich auch in jenen Menschen weiter, bei denen unsere Begegnungen und Beziehungen Spuren hinterlassen.

    Als was würden Sie gern wiedergeboren werden?

    Als kräftiger Griff in die E-Gitarre.

    "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" läuft am 7. April um 20.15 Uhr im Ersten.