Der heilige Ort und das Böse: Ein atmosphärischer, packender Krimi aus Santiago de Compostela im Ersten.
Unbarmherzig branden Wellen an den Strand von Cabo Fisterra am Ende des Jakobswegs. Im Sand: eine tote Frau. Auf dem ersten Arbeitstag von David Acosta (Michael Epp) liegt kein Segen. Der Kommissar aus Valencia hat sich nach Galicien versetzen lassen. Mittelmeer trifft Atlantik. Mit viel Gegenwind empfängt ihn der örtliche Kollege Martinez (Dirk Borchardt). Kommissarin Navarro (Mercedes Müller) dagegen weiht den Novizen ein in die geheimen Gesetze des Wallfahrtsorts Santiago de Compostela. Dort arbeitete das Opfer im Pilgerbüro. Die Frau stalkte ihren verheirateten Liebhaber. Weitere Spuren führen zur Diözese und einem jungen Betrüger.
Viele lose Enden für Acosta, den sein Darsteller Michael Epp als „gutmütig, aber vom Job besessen“ beschreibt. Eine weitere Mörderjagd vor Traumkulisse? „Hier kommt keine strahlende Postkarte“, stellt Epp klar, „sondern ein vom Film noir angehauchter Krimi, der die Energie der Pilgerstadt einfängt und nicht jede Szene bis in den letzten Winkel ausleuchtet.“ Den Hauptdarsteller überzeugte das Konzept von Regisseur Adolfo J. Kolmerer und Kameramann Christian Huck, die gemeinsam schon den Serienhit „Oderbruch“ bedrohlich-düster ins Bild setzten. Kontrastreich-mysteriös zeigen sie nun im ARD-Galicien-Krimi „Die Tote vom Jakobsweg“ (Do, 22. Mai, 20.30 Uhr im Ersten + Mediathek) die wilde Atlantikküste und das mittelalterliche Santiago, das vor Wallfahrern wimmelt.
„Für viele ist die Stadt der emotionale Höhepunkt ihrer Reise“, so Epp, der mit Familie in Berlin lebt. „Als wir an den Stufen der Kathedrale drehten, brach eine Pilgerin tief bewegt zusammen. Wir zogen uns zurück, um ihr Raum zu geben.“ Eine christliche Hochburg als Drehort fordert Feingefühl: „Überraschend bekamen wir eine Drehgenehmigung in der Kathedrale, für 25 Minuten“, sagt Epp. „Wir durften die Pilger nicht stören und fühlten uns wie Spione auf Geheimdienstmission. Die Kamera war unter einem Tuch versteckt.“
Der 41-jährige Deutsch-Brite blickt auf eine beeindruckende internationale Karriere, er spielte mit John Malkovich („Unlocked“) und Adrien Brody („Der Brutalist“), drehte 2024 mit Kristen Stewart („The Chronology of Water“) sowie Regisseur Guy Ritchie und Natalie Portman („Fountain of Youth“). Epp: „Trotzdem war der Galicien-Krimi mein Highlight des Jahres.“ Grund: „Das familiäre Team und die unfassbare Magie des Jakobswegs.“ Vor einigen Jahren wollte er den Pfad mit seinem Onkel gehen, doch der starb. In Glaubensfragen sei er „noch auf der Suche“, aber die Wanderung wolle er nachholen, vielleicht mit der Filmcrew: „Wir haben uns in Galicien verliebt.“ Ihn reizte sogar das wechselhafte Herbstwetter: „Als Halbbrite liebe ich Spaziergänge bei Regen.“
Der top besetzte Spanish noir läuft zunächst als Einzelstück im Ersten, ist aber gespickt mit ausbaufähigen Figuren. Würde Epp wieder nach Spanien pilgern? „Ich bin dabei!“