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„Tatort Münster“: Krimi oder Klamauk? Lohnt sich der neue Fall „MagicMom“?

05.03.2023 um 15:02 Uhr
    MagicMom | © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) | ©WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas Kost

    Kommissar Frank Thiel und Professor Karl Friedrich Boerne betreten heute Abend für sie weitgehend unbekanntes Terrain. Sie müssen den Mord an einer Momfluencerin aufklären und begegnen Personen, für die das Internet nicht nur Freizeitvergnügen, sondern auch Business ist.

    Wenn der Tatort aus Münster auf dem Programm steht, erwartet niemand knallharte Actionszenen oder nüchterne Ermittlungsarbeit, und doch beschweren sich Krimifans immer wieder, dass Thiel und Boerne es mit dem Klamauk übertreiben. Wie sieht es mit dem neuen Fall „MagicMom“ aus? Schafft der Krimi diesmal die Balance zwischen Humor und Spannung?

    Darum geht’s im neuen Fall

    Influencerin „MagicMom“ hat sich erhängt. So sieht es zumindest aus. Doch Professor Boerne stellt schnell fest, dass Evita Vogt, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, bereits tot war, als sie aufgeknüpft wurde. Da Boerne nicht herausfindet, woran die Influencerin gestorben ist, begibt er sich an den Tatort, wo er die Kamera der Toten entdeckt.

    Er lässt die letzte Aufnahme abspielen. Darauf ist zu sehen, wie Evita Vogt ein Telefongespräch führt, in dem sie erpresserische Drohungen ausspricht. Plötzlich bekommt sie Atemnot und rennt die Treppe zur Küche hinunter, wo sie – den Geräuschen nach zu urteilen – im Kühlschrank nach etwas sucht, bevor sie zusammenbricht und verstummt. Was ist passiert?

    Viele Erläuterungen

    Bei der Suche nach der Antwort auf diese Frage, witzeln sich Thiel und Boerne quer durch die Social-Media-Welt. Der Krimi versucht, alle nicht so Internet-affinen Zuschauern und Zuschauerinnen durch Erläuterungen mitzunehmen. So erklärt Nachbarin Thekla Cooper bei ihrer Befragung nebenbei, was eine Momfluencerin ist: „Die hat alles gefilmt – das Haus, den Garten, die Kinder, wenn die eingekauft hat, wenn die in Urlaub gefahren sind und alles. Das hat die alles ins Netz gestellt und damit massig Kohle verdient.“

    Im weiteren Verlauf der Geschichte lernt Thiel, dass es bei Begriffen wie „Beef“ nicht zwangsläufig ums Mittagessen geht, dass 650.000 Follower eine ganze Menge sind und dass es Hater gibt. Als kleiner Gag zwischendurch erläutert Boerne in Form von TikTok-Videos verschiedene Begriffe. Die Studentin der Rechtsmedizin vertritt die andere Seite und erklärt als Followerin, dass ihr „MagicMom“ mit ihren Videos sehr geholfen hat, als sie als junge Mutter nicht weiter wusste. Auch die im Internet verstärkt anzutreffende Wokeness wird thematisiert.

    Gendern und Sensibilität

    So darf Assistent Schrader seinen Schreibtisch verlassen und muss tollpatschig und überfordert im Außeneinsatz Polizeiarbeit verrichten. Thiel spielt den Oberlehrer. Dabei gibt es jede Menge fragwürdige Witze, bei denen der homosexuelle Schrader die mahnende Position einnimmt und vieles nicht lustig findet, was Boerne und Thiel von sich geben. Zum Beispiel, dass er SchraderIn genannt wird. Gleichzeitig kämpft Silke Haller gegen Sexismus und will Sensibilitätsbeauftragte werden.

    Lohnt sich der Krimi?

    Es gab schon bessere Fälle aus Münster, aber in der zweiten Hälfte des Films lässt das Witzeln ein wenig nach und der durchaus spannende Fall rückt in den Mittelpunkt. Trotzdem gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Krimi und Klamauk. Weniger ist manchmal mehr.

    „Tatort Münster – MagicMom“ läuft heute, 5. März 2023, um 20.15 Uhr im Ersten. Der Film ist nach der Ausstrahlung drei Monate lang in der ARD-Mediathek abrufbar.

    Influencer-Mord im Münster-"Tatort: Was Jan Josef Liefers an Social-Media stört

    Kommissar Thiel und Professor Boerne ermitteln am Sonntag in ihrem neuesten Fall "MagicMom"auf bisher unbekanntem Terrain: In der virtuellen Welt der Social Media Influencer. Die verstorbene Evita Vogt (Laura Louisa Garde) zählt als "MagicMom" zu den erfolgreichsten sogenannten Momfluencerinnen: eine sympathische junge Mutter, die zu ihren vermeintlichen Fehlern steht und Tipps und Tricks für andere Mütter parat hat. Doch nun wird sie in ihrem luxuriösen Zuhause erhängt aufgefunden. Alles sieht zunächst nach Selbstmord aus, aber eine Fremdeinwirkung kann Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) nicht gänzlich ausschließen.  Zusammen mit Thiel (Axel Prahl) taucht er in die Welt der Follower, Hater und Likes ein - und wird selbst zum True-Crime-Influencer. Was Schauspieler Jan Josef Liefers über Social Media denkt, hat er uns exklusiv verraten: Ein Interview von TV Digital Chefreporter Mike Powelz MagicMom“ nimmt die Welt der Influencer auf die Schippe, blickt hinter die Kulissen. Was mögen Sie an Ihrem 43. Fall? Schöne, neue Welt! Influencer, Gendersternchen, Gleichstellungsbeauftragte und auf der Gegenseite der gute, alte, fehlerbehaftete Mensch, geplagt von seinem Ego, seinen Ängsten und Zwängen. Aus diesem Stoff ist der neue Tatort gestrickt. Social Media hat es möglich gemacht, die Begriffe Schein und Sein wieder komplett auf den Kopf zu stellen. Der neue Münster-Tatort schaut hinter diese Fassade und schreckt auch vor ein bisschen KI nicht zurück. „Die Menschen sind im Internet nicht sie selbst bzw. sind sie viel zu sehr sie selbst - versteckt hinter idiotischen Namen und Symbolen“, so ein Satz von Golo Euler im „Tatort“.  Ihre Meinung: Kommen auf den sozialen Plattformen eher gute menschliche Eigenschaften (Empowern, Kommunikation, Zuspruch) oder eher schlechte Charakterzüge (Haten, Dissen, Stalken, Blenden, Manipulieren) zum Vorschein? Social Media bringt den Menschen zum Vorschein, wie er ist. Mitteilsam, smart, hilfsbereit, aber auch strohdoof, bösartig, geltungssüchtig und unreif. Problematisch an Social Media ist, was es belohnt, nämlich sinnlose Aufgeregtheit, die Übertreibungen positiver wie negativer Emotionen, die gnadenlose Jagd nach Aufmerksamkeit und das Vorgaukeln falscher Tatsachen. Prof. Boerne erklärt in diesem „Tatort“ im Insta-Story-Style medizinische Fachbegriffe im Hochformat. Ein einmaliges optisches Element, das nur zu diesem „Tatort“ passt, oder künftig immer bzw. regelmäßig? Ich antworte mal als Boerne: Schon das Hochkant-Format spricht ästhetisch gegen den Dauereinsatz dieser Idee. Ich bitte Sie Sie, wer hochkant filmt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren!