„Ohne jede Spur“: Nathalie Birli spricht über ihr Überleben

Mike Powelz | © Mike Powelz Mike Powelz
29.05.2025 um 19:00 Uhr
    „Ohne jede Spur“: Nathalie Birli spricht über ihr Überleben | © ARD
    Triathletin Nathalie Birli (Luise von Finckh) wird am hellichten Tag entführt. | ©ARD

    Entführt, gequält, entkommen: Der Psychothriller „Ohne jede Spur: Der Fall der Nathalie B.“ erzählt von realem Grauen. Das heute 32-jährige Entführungsopfer erinnert sich bei HÖRZU an die schwersten Stunden ihres Lebens.

    Es ist eines der erschütterndsten Verbrechen in der jüngeren österreichischen Kriminalgeschichte: Am 23. Juli 2019 wird die damals 27-jährige Radrennfahrerin und Triathletin Nathalie Birli (heute 32) während einer abendlichen Trainingstour in der Nähe ihres Wohnorts bei Graz von einem Mann angefahren – mit voller Absicht. Er verschleppt die verletzte junge Frau in ein abgelegenes Haus, wo ein stundenlanges Martyrium beginnt: Der psychisch gestörte Täter entkleidet und misshandelt die junge Mutter in dem Wahn, er könne sie so zu seiner Partnerin machen. Jede Sekunde muss sie eine Vergewaltigung fürchten – oder gar den Tod. Dass Birli überlebt und den Täter Christoph K., im Film Florian genannt, am Ende überreden kann, sie freizulassen und sogar nach Hause zu fahren, gleicht einem Wunder.

    Jetzt erzählt der packende True-CrimeThriller „Ohne jede Spur: Der Fall Nathalie B.“ (abrufbar in der ARD Mediathek) mit Luise von Finckh („Liebling Kreuzberg“), wie es der Sportlerin gelang, sich schließlich zu befreien. Auch in der ARD-Medaithek verfügbar: Die bewegende Doku „Das zweite Leben von Nathalie“, in der neben dem Opfer auch Ehemann Martin Schöffmann sowie die damals ermittelnden Kriminalisten vor die Kamera treten. HÖRZU traf Nathalie Birli (heute Schöffmann) und Hauptdarstellerin Luise von Finckh zu Interviews über die Verfilmung des schrecklichen Verbrechens.

    Sind die harten Folterszenen im Thriller wahrheitsgetreu? Im Film wird die junge Frau gewürgt und sexuell misshandelt, auch wenn es nie ganz zur Vergewaltigung kommt. Musste Nathalie Birli dies tatsächlich so durchleben? „Das Gros der Szenen wurde realitätsnah umgesetzt“, sagt sie. „Zwar musste für die Spannung manches zugespitzt werden, aber vieles hat sich genau so zugetragen.“ Auch die Badewannenszene, in der der Täter sein Opfer fast ertränkt? „Ja“, so Birli. „Als er mich in der Badewanne untergetaucht hat, glaubte ich, sterben zu müssen. Ich weiß nicht, wie lang es insgesamt war, aber in dem Moment lief mein Leben wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Gefühlsmäßig hatte ich damals bereits Abschied genommen.“

    Und wie konnte Nathalie Birli den Täter dazu bewegen, sie am Ende freizulassen? Das Entführungsopfer: „Wahrscheinlich durch mein Einfühlungsvermögen. Ich war selbst überrascht, wie ruhig ich während des Verbrechens geblieben bin. Erst später hat mir eine Psychologin gesagt, dass es sich dabei um einen dissoziativen Zustand gehandelt hat. Denn ich sah mich nicht aus der IchPerspektive, sondern von oben, wie in einem Film. Das ist scheinbar ganz typisch.“ Was weiß Nathalie Birli heute über den Täter? „Er wurde als schizophren eingestuft und ist immer noch in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Reue hat er keine gezeigt. Vor Gericht hat er gesagt, er verstünde nicht, warum er eingesperrt würde, denn er habe mich ja nach Hause gebracht und am Leben gelassen. Er versteht nicht, dass er ein Verbrechen begangen hat. Und genau das macht ihn so gefährlich.

    Nach ihrer Freilassung spricht die junge Mutter im TV von der Tortur. | ©Imago

    Feiert die Sportlerin den Tag ihrer Freilassung heute wie ihren „zweiten Geburtstag“? „Ja, tatsächlich“, sagt sie. „Der Tag fällt auf den Geburtstag meines Stiefvaters – seither feiern wir beide gemeinsam.“ Ein dramatisches Schicksal und – als reale Geschichte – zugleich eine große schauspielerische Herausforderung für Luise von Finckh. Wie hat sich die 31-Jährige dieser Rolle genähert? Im Gespräch mit HÖRZU erklärt von Finckh: „Mich hat total gepackt, dass es hier nicht wie so oft hauptsächlich um den Täter geht. Im Gegenteil: Bei uns stehen Nathalies Heldinnengeschichte und die Befreiung aus dem Machtmissbrauch im Fokus. Das war für mich der entscheidende Punkt.“

    Auf die teils extrem harten Szenen bereitete sich die Schauspielerin auch mit einer sogenannten Intimitätskoordinatorin vor. „Vor dem Dreh ist sie mit mir jede Szene durchgegangen, sodass ich immer genau wusste, was an inszenierten körperlichen Übergriffen auf mich zukommt.“ Für Luise von Finckh gibt der Film den Zuschauern einen wichtigen Denkanstoß, nämlich „dass sie verstehen, wie viele Menschen schlimme Situationen erleben und anschließend irgendwie weiterleben müssen. Und dass es Wege gibt, zu überleben und weiterzuleben!“

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