Happy Ends gibt’s nur im Märchen? Von wegen. Auch in der Streaming-Welt erleben vermeintliche Flops überraschende Comebacks. Produktionen, die erst belächelt oder kritisiert wurden, entwickeln sich plötzlich zu Publikumslieblingen – und schreiben Erfolgsgeschichten, die kaum zu glauben sind. Jüngstes Beispiel: die Neuverfilmung des Disney-Klassikers "Schneewittchen".
Die Geschichte der Prinzessin, die nach dem Mordanschlag ihrer eifersüchtigen Stiefmutter in den dunklen Wald flieht, dort ums nackte Überleben kämpft und hinter den sieben Bergen bei sieben Zwergen nicht nur Unterschlupf, sondern neuen Lebensmut findet, kennt wirklich jedes Kind. Gefühlt tausendmal verfilmt – in Wahrheit sind es bei IMDb immerhin rund 70 verzeichnete Versionen – zählt das Grimmsche Märchen zu den meistadaptierten Stoffen der Filmgeschichte. Anfang dieses Jahres kam eine weitere Realverfilmung dazu. Und die sorgte für ordentlich Gesprächsstoff.
Disney wollte dem Zeichentrick-Klassiker "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1937) ein zeitgemäßes Update verpassen – und erntete dafür eine Welle der Kritik. Zu "woke", zu modernisiert, zu weit weg vom Original, monierten viele. Unter die sachliche Debatte mischten sich schnell auch rassistische Kommentare zur Hautfarbe der Hauptdarstellerin Rachel Zegler, die mit ihren lateinamerikanischen Wurzeln für manch Internettroll nicht ins Märchenbild der klassisch "schneeweißen" Prinzessin passen wollte.
Das Ende der Geschicht': Ob es nun am Gegenwind im Vorfeld lag oder nicht – "Schneewittchen" (Start: 20. März 2025) fiel im Kino durch. Das rund 250 Millionen US-Dollar teure Märchen-Remake spielte weltweit lediglich etwa 205 Millionen Dollar ein – und blieb damit deutlich hinter den Erwartungen zurück. Auch auf den Bewertungsportalen hagelte es Kritik: Auf IMDb kommt der Film gerade einmal auf 1,9 von 10 möglichen Punkten. Etwas gnädiger zeigt sich das Publikum auf Rotten Tomatoes: 71 % im "Popcornmeter" deuten zumindest auf eine solide Fanbasis hin. Die Kritikwertung hingegen fällt mit nur 39 % deutlich nüchterner aus.
Was im Kino enttäuschte, feiert im Netz ein Comeback: Das Märchen-Musical scheint beim Online-Publikum deutlich besser anzukommen. Seit dem 11. Juni ist "Schneewittchen" mit Rachel Zegler, Gal Gadot und Andrew Burnap in den Hauptrollen bei Disney+ verfügbar – und avancierte in kürzester Zeit zu einem der derzeit beliebtesten Filme der Plattform. Laut dem Analyseportal FlixPatrol steht die Produktion aktuell in den Disney+-Charts in 50 Ländern auf Platz 1.
Der rasante Streaming-Erfolg übers Wochenende (ohne Kita und Schule, aber mit jeder Menge Unterhaltungsbedarf) zeigt: Der Fantasyfilm nach dem Märchenklassiker scheint genau dort zu funktionieren, wo er am meisten Wirkung entfalten soll – bei Kindern. Vielleicht sind sie es auch, die am ehesten bereit sind, eine starke, selbstbestimmte Frauenfigur im Märchen mit Neugier und Begeisterung anzunehmen.
Ob der Film am Ende wirklich überzeugt, muss jede*r für sich entscheiden – die Kritiken gehen jedenfalls weit auseinander. Ein durchaus wohlwollendes Fazit zieht Dominik Lapp auf kulturfeder.de:
"Letztendlich ist 'Schneewittchen' ein Film, der sich lohnt – wegen seiner starken Titelfigur, und weil er mehr abenteuerreiche Fantasy-Geschichte (die durchaus auch ihre Längen hat) als Märchen ist. Weil er genauso großartige Bilder wie eindrucksvolle Musik bietet. Weil er zeigt, dass klassische Stoffe neu gedacht werden können. Weil er beweist, dass Wandel möglich ist – selbst in der märchenhaften Welt von Disney."