Fernsehpionier, Tierschützer und Weltreisender: Eine neue NDR-Doku zweigt, wie Heinz Sielmann die Natur auf unsere Bildschirme brachte.
Ein Artikel von HÖRZU Reporter Kai Riedemann
Am Sonntag, 18. April 1965, um 20.05 Uhr begann ein neues Zeitalter des Naturfilms. Unter dem Titel „Expeditionen ins Tierreich“ strahlte der NDR die erste Folge einer Reihe aus, die bis heute Zuschauer in ihren Bann zieht. Heinz Sielmann präsentierte das „Vogelwunder Australiens“ und brachte so die Wildnis ins Wohnzimmer. Die HÖRZU schwärmte damals in einer Kritik: „Das Verblüffendste der Woche, das Niedagewesene an Aufnahmen kam freilich weder aus der Politik noch vom Kinofilm oder vom Fernsehspiel. Das hat Heinz Sielmann heimgebracht. Hätten wir einen Oscar für Darsteller zu vergeben, kriegten ihn ein Känguru und ein Brutschrankvogel.“ 60 Jahre später blickt eine Jubiläumsdokumentation (Mi, 30. April, 20.15 Uhr im NDR und in der Mediathek)auf die Sternstunden der Reihe zurück und zeigt Tierfilmer von gestern und heute bei der Arbeit.
Heinz Sielmann (1917 – 2006) prägte nicht nur „Expeditionen ins Tierreich“, sondern die Geschichte des gesamten deutschen Naturfilms. Schon im Jahr 1938 erregte der Jungregisseur Aufsehen mit seinem Erstling „Vögel über Haff und Wiesen“. Dafür kauerte er oft 24 Stunden lang in seinem Versteck, einem getarnten Boot, gequält von Krämpfen, die Kamera auf scheue Uferschnepfen gerichtet. In „Zimmerleute des Waldes“ zeigte Heinz Sielmann 1954 einzigartige Einblicke in die Brutstätte der Spechte. Um ganz nah filmen zu können, wie die Vögel unter der Baumrinde Insekten erhaschen, gewöhnte seine Frau Inge Jungvögel an den Menschen. Rund um die Uhr versorgte sie die gierigen Spechtkinder mit Würmern. Für den perfekten Höhleneinblick wurde ein Baum aufgebrochen, die Öffnung mit einer Glasscheibe versehen und ein Teerpappedach zum Schutz vor Licht- und Wettereinflüssen errichtet.
„In den 70er-Jahren hatte sich das Interesse für Tiersendungen bei den Zuschauern in Deutschland derart vermehrt, dass sich der NDR dafür einsetzte, meine Fernsehreihe ‚Expeditionen ins Tierreich‘ künftig sechsmal im Jahr in der besten Sendezeit von 20.15 Uhr zu zeigen“, erinnerte sich der Naturfilmpionier später. „Durch meinen Zugang zu den Filmen des BBC, der National Geographic Society und anderen Produktionsfirmen fiel es uns nicht schwer, das erforderliche Pensum zu leisten."
Spektakuläre Filme drehte Sielmann trotzdem weiter. Stets neugierig, interessierten ihn vor allem die unentdeckten Winkel der Erde. Gefahrlos war diese Entdeckerlust nicht: Als er 1983 mit HÖRZU-Redakteur Roland Westphal im Masai-Mara-Naturreservat unterwegs war, riskierte der Tierfilmer für Bilder fressender Elefanten sogar sein Leben. Eine Elefantenkuh donnerte in Staub gehüllt auf den Störenfried zu. In letzter Sekunde erreichte Sielmann den rettenden Geländewagen. Bei anderen Dreharbeiten brach plötzlich ein Berggorilla aus dem Dickicht. „Ein Vier-Zentner Kerl“, kommentierte Heinz Sielmann. „Er trommelte sich auf die Brust, riss sein mächtiges Maul auf, raste auf mich zu.“ Auch damals gelang ihm nur knapp die Flucht. Trotz aller Abenteuerfreude gehörten Besonnenheit und Geduld zu den Stärken des Tierfilmers.