Netflix hat eine der wohl aufwendigsten "Black Mirror"-Folgen gelöscht und beerdigt damit ein ganzes Genre. Hinter dem Vorgehen stecken in erster Linie strategische Gründe.
Wir lieben Netflix auch, weil sich der Streamingriese Experimente leisten kann. Wie die kleine Welle interaktiver Formate, die vor gut sieben Jahren ihren Anfang nahm – mit ambitionierten Projekten, bei denen Zuschauerinnen und Zuschauer selbst entscheiden konnten, wie es weitergeht. Produktionen wie "Unbreakable Kimmy Schmidt: Kimmy vs. The Reverend", "Ranveer vs. Wild with Bear Grylls", "You vs. Wild" oder "Black Mirror: Bandersnatch" schienen damals den Beginn einer neuen Erzählform einzuläuten. Was 2018 wie ein Blick in die Zukunft wirkte, ist heute schon wieder Geschichte. Bereits Ende 2024 wurden die meisten interaktiven Titel von Netflix gestrichen.
Von den interaktiven Formaten waren zuletzt nur noch zwei auf Netflix verfügbar: "Black Mirror: Bandersnatch" und "Unbreakable Kimmy Schmidt: Kimmy vs. the Reverend". Wie What‘s on Netflix ankündigte, hat der Streamer heute (12. Mai) beide Titel von der Plattform genommen. Besonders im Fall des "Black Mirror"-Specials überrascht dieser Schritt: Immerhin brachte Staffel 7 mit der Episode "Spielzeug" (Folge 4) erst kürzlich eine Art Sequel – inklusive eines Wiedersehens mit dem legendären Spieleentwickler Colin Ritman (Will Poulter). Warum die "Black Mirror"-Folge (genauso wie das Kimmy-Schmidt-Special) dennoch weichen musste, ist schnell erklärt.
Netflix verabschiedet sich mit dem Entfernen der letzten beiden interaktiven Titel endgültig von seiner kurzen, experimentellen Phase mit interaktiven Inhalten. Laut einem Bericht von The Verge (Ende 2024) ist das Teil eines klaren Kurswechsels. Netflix-Sprecherin Chrissy Kelleher sagte dazu: "Die Technologie hat ihren Zweck erfüllt, ist jetzt aber einschränkend, da wir uns auf technologische Anstrengungen in anderen Bereichen konzentrieren."
What‘s on Netflix nennt als Grund auch den veränderten Fokus des Unternehmens: Netflix setzt verstärkt auf mobile Games, während neue Design-Updates die Umsetzung von Multiple-Choice-Funktionen bei interaktiven Inhalten zunehmend erschweren oder ganz unmöglich machen.
Ob die betroffenen Titel irgendwann in linearer Form – also ohne Entscheidungsmöglichkeiten – zurückkehren werden, ist bislang ungewiss. Klar scheint jedoch: Das Kapitel der interaktiven Filme- und Serien ist bei Netflix abgeschlossen – und "Bandersnatch" ist seit heute nicht mehr in seiner genialen Originalversion erlebbar.
"Black Mirror: Bandersnatch" war eine interaktive Sonderfolge über einen jungen Programmierer (Fionn Whitehead), der Mitte der 1980er-Jahre er an einem Videospiel arbeitet, das zunehmend sein Leben kontrolliert. Der Clou: Wer die Folge sah, entschied selbst, welchen Weg die Story nahm. Zig verschiedene Enden waren möglich. Manche Versionen endeten nach knapp 40 Minuten, andere führten in ein bis zu zweistündiges komplexes Netz aus Wahnsinn und Zeitschleifen.