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"37 Grad": Kindermedizin wird immer häufiger zur Glückssache

21.03.2023 um 09:57 Uhr
    37 Grad Kinderklinik Titel | © ZDF/Jennifer Gunia Franziska wünscht sich vor allem mehr Zeit für die kleinen Patienten und ihre Eltern.  | ©ZDF/Jennifer Gunia

    Sind unsere Kinder in Deutschland medizinisch gut versorgt? Die aktuelle Reportage von „37 Grad“ findet auf diese Frage eine alarmierende Antwort. Durch Personalnot und Profitgier werden stationäre Behandlungen im Notfall zum gefährlichen Glücksspiel.

    Kindermedizin ist ein besonders anspruchsvoller Bereich. Kinder zu behandeln, braucht mehr Zeit, Aufmerksamkeit, Ansprache und Zuspruch. Ihre Fälle sind vielfältiger und die Notfallquote ist höher als bei Erwachsenen. Das können die Zahlungen der üblichen Fallpauschalen kaum abdecken. Die Folge sind reihenweise Schließungen der Kinderstationen, da sie sich finanziell einfach nicht lohnen.

    Unter dem System leiden chronisch kranke Kinder und ihre Familien enorm. Das zeigt auch das Beispiel des kleinen Enno, der wegen eines seltenen Gendefekts regelmäßig ins Krankenhaus muss. Mit ein bisschen Glück konnte er dieses Mal noch ein freies Bett ergattern. „Das macht einem schon Angst, ob die Versorgung auch in Zukunft noch gewährleistet ist", sagt Ennos Mutter Esther.

    100.000 Pflegekräfte fehlen

    Doch nicht nur die Unterfinanzierung sorgt für den System-Kollaps. Es fehlen schon jetzt circa 100.000 Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern. Außerdem sorge die Umstellung auf eine generalisierte Pflegeausbildung dafür, dass sich immer weniger Auszubildene für Kindermedizin entschieden, so Chefarzt Dr. Omran vom Uniklinikum Münster.

    Auf der Neonatologie der Medizinischen Hochschule Hannover liegen schwer kranke Neugeborene. Gut ein Drittel der verfügbaren Betten können sie hier dauerhaft nicht belegen.

    Darum stehen immer mehr Kliniken vor einer folgenschweren Wahl: Zu viele Kinder den Pflegekräften zuordnen oder kranke Kinder abweisen. Um eine angemessene Betreuung gewährleisten zu können, bleiben deshalb immer mehr vorhandene Krankenhausbetten leer. Wie auf der neonatologischen Intensivstation in Hannover, wo 16 von 24 Betten gesperrt sind.

    Laut Film-Autorin Jennifer Gunia sei es vor allem dem verbliebenden Personal zu verdanken, dass es noch gelingt alle Notfälle zu behandeln: „Es ist dem bedingungslosen Einsatz von Pflegerinnen und Pflegern, Ärztinnen und Ärzten zu verdanken, die Überstunden schieben, an freien Tagen einspringen, ihre Station überbelegen und viele Stunden am Telefon verbringen, um freie Betten aufzutreiben. Nur weil auch die Vernetzung der Kliniken untereinander gut funktioniert, ist das System noch nicht komplett zusammengebrochen, so mein Eindruck nach den Dreharbeiten.“

    Der Film begleitet Pflegekräfte in Hannover und Münster durch die stressigen Schichten und zeigt die Mitarbeiter am Rande der Belastbarkeit. Schnell wird klar, dass es so nicht weitergehen kann. Die Filmemacherin hofft, dass die Politik noch rechtzeitig reagiert, bevor die Versorgung schwer kranker Kinder in Deutschland nicht mehr gesichert ist.

    Die Reportage „37 Grad: Notfall Kinderklinik“ läuft am 21. März um 22.15 Uhr im ZDF.