Grindwaljagd-Doku: Das ist nichts für Frauen mit Kinderwunsch

21.08.2023 um 15:15 Uhr
    Grindwaljagd Doku Titelbild | ©  NDR/Christian Blenke
    Blutbad: Durch das Abschlachten der Tiere färbt sich das Wasser an der Bucht rot | © NDR/Christian Blenke

    Brutales Spektakel oder erhaltenswertes Brauchtum? Eine ARD-Doku berichtet von der Grindwaljagd auf den Färöerinseln. Und für Frauen mit Kinderwunsch scheint diese Tradition auch noch aus ganz anderen Gründen nicht mehr zeitgemäß…

     

    Ein Artikel von Sven Sakowitz

    Es ist ein blutiges Schauspiel: Hunderte von Grindwalen werden auf den Färöerinseln jedes Jahr bei archaisch anmutenden Treibjagden abgeschlachtet. Grindadráp heißt das Vorgehen in der Landessprache, und es läuft immer ähnlich ab. Taucht eine Grindwalschule in der Nähe der Inseln auf, entscheidet ein Behördenvertreter, ob die Bedingungen für eine Jagd gegeben sind. Wetter, Wellengang, Anzahl der Grindwale spielen eine Rolle. Geht es los, starten die Bewohner der nächstgelegenen Insel per Telefon oder Whatsapp-Gruppe eine Infokette. Sie dürfen ihren Arbeitsplatz verlassen, fahren mit Motorbooten raus und treiben die Tiere in die Fjorde und bis an den Strand.

    Dort warten Männer, die den hilflosen Tieren mit einer Art Speer das Rückenmark durchstoßen. Das Wasser verfärbt sich blutrot, die toten Tiere werden zum Hafen gebracht und zerlegt. 20- bis 30-mal geschieht das pro Jahr. Gejagt werden vor allem Grindwale, aber auch Weißseitendelfine und Große Tümmler. Rechtlich möglich ist das, weil die Färöer zwar zu Dänemark gehören, aber einen Autonomiestatus besitzen und sich nicht an die Schutzbestimmungen gebunden fühlen.

    So schlimm ist es für die Tiere wirklich

    Im September 2021 ging ein Aufschrei um die Welt, als bei einer einzigen Jagd mehr als 1400 Weißseitendelfine getötet wurden. So viele wie nie zuvor. Auch Christian Blenker, ARD-Korrespondent für Skandinavien und das Baltikum, erfuhr von diesem traurigen Rekord. Er berichtete für die „Tagesschau“ darüber – und das Thema ließ ihn nicht mehr los. Für seine exzellente Doku „Waljagd auf den Färöerinseln: Warum gibt’s das noch?“ reiste er zweimal auf die Inseln, um das Phänomen zu begreifen.

    „Ich hatte großes Reporterglück und wurde Zeuge von gleich zwei Grindwaljagden“, erzählt er im Gespräch. „Dabei herrscht fast so etwas wie Volksfeststimmung. Männer, Frauen und Kinder kommen aus den umliegenden Dörfern, schauen begeistert zu oder helfen mit. Um die Tiere töten zu dürfen, muss man aber 18 Jahre alt sein und eine Lizenz besitzen.“

    Auf der Insel wird das vermutlich seit der Wikingerzeit ausgetragene Spektakel von den wenigsten Menschen hinterfragt. Dabei gäbe es gute Gründe. „Grindwale sind intelligente Tiere, die sehr unter der Jagd leiden“, sagt Blenker. „Die Färinger stellen es so dar, als würden die Tiere einen schnellen, schmerzlosen Tod erleiden, aber das stimmt nicht. Sie werden über eine lange Zeit mit lauten Motorbooten in die Fjorde getrieben. Dabei stehen die Tiere unter Stress, geraten in Panik und versuchen zu fliehen. Durch den Überlebenskampf der Tiere gelingt es dann auch nicht immer, sie schnell zu töten. Diese Art, Tiere zu töten, ist unglaublich brutal.“

    Dem Reporter gelang es, mit Färingern offen über dieses Thema zu sprechen. „Zwei Gründe für die Jagd wurden mir gegenüber vor allem genannt“, sagt er. „Zum einen sei sie einfach eine wichtige Tradition, die man pflegen wolle. Gerade junge Männer sind stolz auf die alte Wikingertradition und betrachten die Jagd auch als eine Mutprobe.“ Fast noch wichtiger sei der Hinweis darauf, dass die Färinger nicht aus kommerziellen Gründen jagen. Und tatsächlich wird das Fleisch der Tiere kostenlos in großen Mengen verteilt. Die Abnehmer machen es haltbar und können sich oft monatelang davon ernähren. „Die Grindwale seien nun mal seit vielen Hundert Jahren eine sehr wichtige Ernährungsquelle, hörte ich immer wieder“, so Blenker. „Aber während die Vorfahren der heutigen Färinger in der kargen Region tatsächlich auf das Grindwalfleisch angewiesen waren, gibt es heute doch Alternativen, etwa das Warenangebot der Supermärkte.“

    „Fleisch erheblich mit Quecksilber belastet“

    Und: Ein Teil der Bevölkerung isst das Fleisch ohnehin nicht mehr oder zumindest nicht in großen Mengen. Blenker erfuhr in seinen Gesprächen: Es sind vor allem junge Frauen mit Kinderwunsch, bei denen Grindwal nicht mehr auf dem Speiseplan steht. Der Grund: „Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass dieses Fleisch erheblich mit Quecksilber belastet ist“, erklärt er. „Mehrere Ärzte haben deshalb die Empfehlung ausgegeben, es nicht mehr zu essen. Insbesondere Frauen wird davon abgeraten, weil der Konsum von mit Quecksilber belastetem Fleisch zu Entwicklungsstörungen von Embryos und Säuglingen führen kann.“

    Deutsche Doppelmoral?

    Aufgeworfen wird in der Doku auch die Frage, ob die Kritik an der Jagd nicht heuchlerisch ist. Denn in Deutschland werden Tiere auf teils grausame Weise gehalten und getötet. Hier allerdings hinter verschlossenen Türen. „Die Färinger argumentieren, dass die Grindwale im Unterschied zu unseren Schlachttieren ein gutes Leben hatten, frei im Ozean lebten und nicht gezüchtet werden. Sie sagen: ,Es gibt viele Grindwale in den Ozeanen, und wir nehmen uns nur ein paar davon.‘ Das sind durchaus ernst zu nehmende Argumente. Vielleicht ist bei diesem Thema doch nicht alles so schwarz-weiß, wie es zunächst den Eindruck macht.“ Über diese Frage lässt sich im Anschluss an die Doku hervorragend diskutieren.

    Am 21. August um 22.50 Uhr läuft „Waljagd auf den Färöern Inseln“ im Ersten.

    Tierfilmer Andres Kieling: Neue Elefanten-Doku brachte ihn in Lebensgefahr

    Graue Riesen mit faszinierender Aura: Tierfilmer Andreas Kieling über seine Begegnungen mit Afrikanischen Elefanten – bei denen er auch einmal in Lebensgefahr geriet. Ein Artikel von HÖRZU-Reporter Sven Sakowitz Wenn Tierfilmer Andreas Kieling über die größten Momente seiner Laufbahn spricht, landet er schnell bei den Afrikanischen Elefanten. Kaum eine Tierart fasziniert ihn so wie diese Giganten, die auch Savannenelefanten genannt werden. Sie sind die größten lebenden Landsäugetiere, können bis zu zehn Tonnen schwer werden und eine Schulterhöhe von 3,70 Metern erreichen. Einst waren sie auf dem ganzen afrikanischen Kontinent heimisch, heute sind sie es nur noch in zersplitterten Gebieten südlich der Sahara. Schuld daran sind vor allem die Elfenbeinwilderei und die Zerstörung ihres Lebensraums. In der Doku „Kielings Welt: Graue Riesen“ erzählt der Naturfilmer von seinen Begegnungen mit den Dickhäutern. Dazu gehören auch die Waldelefanten, die eine eigene Art bilden, sowie die Wüstenelefanten, bei denen es sich um Savannenelefanten handelt, die sich ans Wüstenleben angepasst haben. Die Doku bildet den Auftakt einer dreiteiligen Reihe mit Höhepunkten aus Kielings Karriere (Teil 2: „Der Bärenmann“ im Anschluss, Teil 3: „Nahe Verwandte“, am 7.4. um 17.05 Uhr). Herzzerreißende Szenen „Meine erste Begegnung mit Afrikanischen Elefanten in freier Wildbahn werde ich nie vergessen“, sagt Andreas Kieling im Gespräch. „1989 war ich zum ersten Mal ganz klassisch auf einer Safari im Serengeti-Nationalpark, als eine riesige Elefantenherde meinen Weg kreuzte. Diese Tiere strahlen eine einzigartige Souveränität, Stärke und Kraft aus, die mich auch heute noch bewegt. Wenn ich Elefanten filme, erlebe ich jedes Mal magische Momente.“ Einige davon sind auch in der Dokumentation zu sehen: Etwa Kielings erstaunliche Aufnahmen von kämpfenden Wüstenelefanten. Oder die Bilder eines frisch geborenen Elefantenbabys, das kaum laufen kann und von der Mutter beim beschwerlichen Weg durch die Savanne herzzerreißend unterstützt wird.

    Weiterlesen

    Geheime Russland-Doku: Achtjährige werden dazu erzogen, in den Krieg zu ziehen

    Es war eine riskante Reise: Die beiden Journalistinnen Ksenia Bolchakova und Veronika Dorman waren drei Wochen in Russland unterwegs und fingen fürs ZDF-Magazin „frontal“ die Stimmung im Land ein. Was passiert in diesem Staat, aus dem seit über einem Jahr nur gefilterte Nachrichten nach außen dringen? Sie haben erschreckende Antworten auf diese Frage gefunden… Ein Artikel von Redakteurin Mirja Halbig. Bolchakova und Dorman führten heimlich zahlreiche Interviews – was seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine für Reporter aus dem Westen eigentlich unmöglich ist. Gelungen ist dies nur, weil beide Frauen einen russischen Pass besitzen und unbemerkt einreisen konnten. Mit der Dokumentation „Geheim in Russland: Reise durch ein unterdrücktes Land“ ist ein wertvolles Zeitdokument entstanden. Bolchakova und Dorman haben uns berichtet, unter welcher Spannung sie arbeiteten und warum sie glauben, dass ihre Ausreise aus Russland ein Abschied für immer war. 21 Tage lang ging es für die beiden nur um eines: sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. So stiegen sie für die Einreise nicht in ein Flugzeug, sondern fuhren ab Helsinki mit dem Bus nach Sankt Petersburg und waren auch in Russland Tausende Kilometer nur mit Bus und Bahn unterwegs. Hotels mieden sie. „Wichtig war, dass wir nirgendwo registriert wurden. Deshalb haben wir auch nicht mit der Kreditkarte gezahlt“, sagt Dorman. „Uns war jederzeit bewusst, wie gefährlich dieser Trip ist. Vor dem Ukrainekrieg war es bereits sehr schwer, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten – für unsere Mission war es unmöglich.“ Kinder sind bereit, für ihr Land zu sterben Die Journalistinnen haben einen engen Bezug zum größten Land der Erde: Ihre Eltern stammen aus Russland, so kennen sie viele Einheimische. Bolchakova, heute 40, wurde in Moskau geboren, Dorman, 41, in New York. Beide wuchsen in Paris auf, wo sie heute auch leben. Monatelang bereiteten sie das Projekt vor, bis es im November endlich losging. „Unser erster Eindruck in Moskau war, dass sich nicht viel geändert hat: Man spürte nicht wirklich, dass Russland im Krieg ist. Wir hatten das Gefühl, dass die Menschen gar nicht wissen, was Schreckliches in ihrem Nachbarland passiert. Das war verstörend“, sagt Dorman. „Aber je länger wir unterwegs waren, umso mehr erlebten wir Anspannung und auch Angst in der Bevölkerung.“

    Weiterlesen

    Alarmierende Tier-Doku: Hannes Jaenicke im Einsatz für Meeresschildkröten

    In seiner Doku-Reihe „Im Einsatz für ...“ zeigt TV-Star Hannes Jaenicke, wie Tierschützer jetzt das Überleben der Meeresschildkröten sichern wollen. Ein Artikel von Redakteur Michael Tokarski. Eine TV-Reihe, die möglichst lang läuft. Das wünscht sich wohl jeder Dokumacher. Bei Hannes Jaenicke ist der Fall allerdings etwas komplizierter. Seit 2008 führt der Schauspieler und Umweltschützer durch die Sendung „Im Einsatz für …“. Darin hat er sich elf bedrohten Tierarten gewidmet, etwa Eisbären oder Gorillas. „Es wäre schön, wenn unsere Reihe gar nicht nötig wäre“, erklärt Jaenicke im Gespräch mit HÖRZU. „Aber danach sieht es momentan leider nicht aus.“ Im Fokus der neuesten Folge stehen Meeresschildkröten. Die Reptilien leben weltweit in tropischen und subtropischen Meeren. Wie stark sie gefährdet sind, erlebte Jaenicke beim Dreh auf drei Kontinenten hautnah. Für den 63-Jährigen waren es Begegnungen mit Wesen, die ihn bereits als Kind in ihren Bann zogen. „Es ist diese unglaubliche Ruhe und Grazie, mit der sie durchs Wasser gleiten“, schwärmt Jaenicke. „Jeder, der schnorchelt oder taucht, ist von ihnen fasziniert.“ In 150 Millionen Jahren seien die Tiere von der Evolution perfekt fürs Überleben ausstaffiert worden. „Aber den Auftritt des Homo sapiens hat die Evolution leider unterschätzt.“ Angriff mit der Eisenstange Heute gibt es nur noch sieben Arten von Meeresschildkröten – alle sieben gelten als gefährdet. Grund dafür sind mehrere menschengemachte Bedrohungen. Ein besonders erschreckendes Beispiel fand Hannes Jaenicke in Griechenland. In einem Rettungszentrum für Meeresschildkröten, dem Archelon, werden die unterschiedlichsten Verletzungen der Tiere behandelt. „Einige Fischer glauben, die Schildkröten rauben ihnen die Fische oder zerstören ihre Netze“, sagt Hannes Jaenicke. „Dass Menschen diese Tiere mit Eisenstangen totschlagen wollen, ist mir unbegreiflich.“

    Weiterlesen